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Forschungs- und Nachwuchskolleg
Diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften: Einflüsse, Struktur und Förderung.

  • Ziele: Forschungsstand verbessern, Fördermöglichkeiten diagnostischer Kompetenz generieren

  • Forschungsfragen: Einflussfaktoren und strukturelle Bedingungen diagnostischer Kompetenz (1. Förderphase)

  • Kooperationspartner: PH Freiburg und PH Heidelberg

  • Projektleitung: Prof. Dr. Timo Leuders, Prof. Dr. Tobias Dörfler

  • Fördersumme: 12 Abordnungsstellen + 1 Jun.Professur auf 3 Jahre

  • Förderzeitraum: 08/2017 – 07/2020 (1. Förderphase)

  • Mittelgeber: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

  • Projektart: Forschungs- und Nachwuchskolleg

Beschreibung

Unter den vielfältigen Tätigkeiten, die Lehrerinnen und Lehrer täglich ausführen, wird den diagnostischen Aktivitäten, d. h. jedweder Form der Gewinnung von Informationen über den Lernstand oder Lernprozess zur Vorbereitung pädagogischer Entscheidungen, eine Schlüsselfunktion zugesprochen. Die Gesamtheit von Wissen, Können, Motivationen und Überzeugungen von Lehrkräften, welche sie hierzu befähigen, werden unter dem Begriff der diagnostischen Kompetenz zusammengefasst. Der großen Bedeutung dieser Facette professioneller Kompetenz steht ein unbefriedigender Forschungsstand gegenüber, der durch eine Reihe von bislang wenig miteinander verbundenen Forschungstraditionen gekennzeichnet ist.

Das Forschungs- und Nachwuchskolleg widmete sich der Aufklärung von Einflüssen, Strukturen und Fördermöglichkeiten diagnostischer Kompetenz. Einen systematischen Zugriff auf die vielfältigen Aspekte dieses Konstruktbündels lieferte dabei die Unterscheidung von diagnostischen Dispositionen (Wissen, Motivation), Prozessen des diagnostischen Denkens (Wahrnehmen, Interpretieren, Handeln) und der Performanz diagnostischen Handelns.

Zwölf Teilprojekte kombinierten rezente Forschungsansätze und nutzten Verfahren der Kompetenzmodellierung, der Erfassung von Urteilsgenauigkeit und der experimentell kontrollierten Variation von relevanten Einflussvariablen auf Seiten der Lehrperson. Insbesondere durch die Kooperationen zwischen Psychologie, Erziehungswissenschaft und Fachdidaktiken wurde die Befundlage erweitert und das theoretische Verständnis diagnostischer Kompetenz verbessert und systematisiert.

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg förderte für die Laufzeit von drei Jahren an den Pädagogischen Hochschulen Freiburg und Heidelberg das Forschungs- und Nachwuchskolleg „DIAKOM”. Im Rahmen dieses Kollegs begannen im August 2017 eine Juniorprofessur und zwölf Abordnungen von Lehrpersonen aus Baden-Württemberg, die an Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Gemeinschaftsschulen oder an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) unterrichten, mit dem Ziel der Promotion oder Habilitation.

Teilprojekte

 

A1: Effekte einer Intervention auf den Transfer von knowledge of content and students im Sachunterricht der Grundschule

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Diagnostische Kompetenz von Lehrkräften beinhaltet u. a. die Fähigkeit, Präkonzepte von Schülerinnen und Schülern zu erkennen und einzuschätzen. Diese Kompetenzfacette wird als fach- bzw. inhaltsspezifisch beschrieben (knowledge of content and students), wobei nicht geklärt ist, wie das Verhältnis von übergreifenden Aspekten (allgemeine Erkenntnisse und Prinzipien) und inhaltsspezifischen Aspekten dieser Kompetenz beschaffen ist. Offen ist auch die Frage des sinnvollen Transfers dieser Kompetenz auf andere Inhalte innerhalb einer Domäne oder auf Inhalte anderer Domänen z.B. durch Aktivierung allgemeiner Teilfähigkeiten oder Analogiebildung. In diesem Projekt soll daher überprüft werden, inwieweit Studierende im Sachunterricht durch eine Förderung ihrer Diagnosekompetenz zu einem Inhalt eines Teilfaches des Sachunterrichts (durch Vermittlung fachlichen und fachdidaktischen Wissens) auch in einem anderen Inhaltsbereich dieses Faches oder gar in inhaltlichen Bereichen eines anderen Teilfaches höhere diagnostische Kompetenzen zeigen. Wir erwarten die Fähigkeit zum Transfer der diagnostischen Kompetenz in moderatem Ausmaß. Diese Grenzen sollen mit Blick auf unterschiedliche Domänen (Wirtschaft, Physik) und Inhalte (Kauf als Tauschhandlung, Funktion von Banken; Optik, Hebel) präzisiert werden. Die Ergebnisse sind von hoher Bedeutung für die Aus- und Fortbildungsstruktur im Sachunterricht der Grundschule.

A2: Analysefähigkeiten von Lehrkräften bei der Beurteilung ersten Schreibversuchen im Englischen – Urteilsprozesse und ihre kognitive und einstellungsbezogene Basis

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Das Teilprojekt widmet sich dem diagnostischen Denken von Englischlehrkräften, indem es ihre Urteilsprozesse bei der Analyse der Rechtschreibfertigkeiten von Zweitklässlern in der ersten Fremdsprache Englisch untersucht. Es soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit eine bi-literate diagnostische Kompetenz (Deutsch – Englisch) zur präzisen Einschätzung des L2-schriftsprachlichen Entwicklungsstandes beiträgt. Urteilsprozesse werden anhand der Korrekturen schriftlicher Schülertexte untersucht. Die Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte lässt sich daran ablesen, inwieweit die Urteile nicht nur mit Blick auf die zielsprachliche Korrektheit gefällt wurden, sondern ob ein Transfer aus der Schulsprache Deutsch berücksichtigt wurde. Ferner werden neu konzipierte Interviews und Fragebögen eingesetzt, um das Wissen über den englischen Schriftspracherwerbsprozess und die individuellen Einstellungen zum Englischunterricht zu erheben. Es wird erwartet, dass nur wenige Lehrkräfte Interferenzen aus dem Deutschen in den englischen Fehlschreibungen der Zweitklässler als positiv vermerken und dass folglich nicht zwischen Kindern unterschieden werden kann, deren Fehler willkürlichen Ursprungs sind und solchen, deren Schreibweisen bereits auf fortgeschrittenen Einsichten in die Spezifika einer Alphabetschrift beruhen.

A3: Diagnostische Kompetenz von Lehrkräften in Bezug auf kognitive Fähigkeiten und soziale Partizipation im Kontext von Inklusion

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Das Projekt untersucht das diagnostische Denken und Handeln von Lehrkräften in inklusiven Lerngruppen. Im Fokus sind dabei jene Situationen, die informelle diagnostische Urteile über kognitive Fähigkeiten und die soziale Partizipation von Schülerinnen und Schülern erfordern. Während bisher zumeist diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften bzgl. kognitiver Merkmale von Lernenden untersucht wurden, liegen kaum Forschungsbefunde zur Akkuratheit der Einschätzung von Lehrpersonen über die soziale Partizipation von Lernenden vor. Um Lehrkräfte für die empirisch bislang vielfach nachgewiesenen sozialen Ausgrenzungsprozesse von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) in inklusiven Lerngruppen zu sensibilisieren und diesen gezielt entgegenwirken zu können, ist das Ziel des Projekts, die Zusammenhänge zwischen und Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte in Bezug einerseits auf kognitive Fähigkeiten und andererseits auf die soziale Partizipation von Schülerinnen und Schülern in inklusiven Lerngruppen zu analysieren und dabei individuelle Merkmale der Lehrkräfte und kontextuelle Bedingungen einzubeziehen. Durch ein Mixed-Methods-Design werden Erkenntnisse zu spezifischen Stärken und Schwächen von Lehrkräften in den genannten Bereichen gewonnen, aus denen man Kriterien für gezielte Interventionen ableiten kann.

B1: Aufgabenbezogene diagnostische Kompetenz von Biologielehrkräften – Urteilsprozesse zu kognitiven Operationen bei der Aufgabenbearbeitung

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Die Fähigkeit, Aufgaben nach inhaltlichen Merkmalen zu beurteilen (z.B. nach den geförderten Wissensarten oder den intendierten Bearbeitungsprozessen) kann als eine Facette diagnostischer Kompetenz von Lehrkräften angesehen werden. Modelle für eine so verstandene Diagnosekompetenz weisen fachliches und fachdidaktisches Wissen, aber auch andere Lehrpersonenmerkmale wie z. B. berufspraktische Erfahrungen als Einflussfaktoren auf. Insgesamt ist jedoch über Bedingungsfaktoren der Diagnosegenauigkeit wenig bekannt. In diesem Projekt sollen die Urteile von Lehrkräften der Primar- und Sekundarstufe zu Aufgaben für den naturwissenschaftlichen Unterricht der Klassenstufe 4 und 5 und die dabei ablaufenden Urteilsprozesse in Beziehung zu individuellen Lehrermerkmalen untersucht werden. Zur Analyse der Urteilsprozesse werden die Prozesse der Urteilsfindung mit Hilfe der Methode des lauten Denkens erhoben. Die verbalen Äußerungen werden in Beziehung zu den Lehrpersonenmerkmalen untersucht. Erwartet wird, dass der Einfluss von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen auf die Urteilsprozesse und die Diagnosegenauigkeit erklärt werden kann.

B2: Schwierigkeitseinschätzung von Mathematikaufgaben – Urteilsprozesse und die Rolle individueller und aufgabenbezogener Merkmale

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Diagnostische Kompetenz von Lehrkräften umfasst u.a. die Fähigkeit, Aufgabenschwierigkeiten korrekt einzuschätzen. Solche Einschätzungen hängen sowohl von individuellen Merkmalen wie Berufserfahrung und fachdidaktischem Wissen (über typische Schwierigkeiten), als auch von aufgabenbezogenen Merkmalen wie etwa der Repräsentationsform und der Salienz relevanter Aufgabenmerkmale ab. Über das Zusammenspiel dieser Merkmale während des Urteilsprozesses ist bislang wenig bekannt. In diesem Projekt soll die Rolle individueller und aufgabenbezogener Merkmale auf die Qualität und den Prozess von Urteilen zu Mathematikaufgaben von Personen mit unterschiedlichem Wissen und unterschiedlicher Erfahrung untersucht werden. Zur Analyse der Urteilsprozesse werden neben verbalen Äußerungen auch Blickbewegungen mit Eye-Tracking erfasst. Es wird erwartet, dass höheres fachdidaktisches Wissen insbesondere bei geringer Salienz der notwendigen Lösungsschritte die Einschätzungen verbessert. Dies sollte sich auch in Unterschieden in den Diagnoseprozessen zeigen. Die Ergebnisse dieser Studie könnten Hinweise für gezielte Maßnahmen zur Förderung diagnostischer Kompetenzen in der Aus- und Fortbildung geben.

B3: Unterrichtsmaterialien zu mathematisch-naturwissenschaftlichen Modellen – Diagnose fach- und adressatenbezogener Merkmale

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Mathematisch-naturwissenschaftliche Modelle aus der Chemie und der Mathematik benötigen aufgrund der unanschaulichen Natur der modellierten Sachverhalte unterschiedliche Darstellungen, die mit erheblichen Verständnisschwierigkeiten verbunden sein können. Dia­gnostische Kompetenzen von Lehrkräften umfassen u. a. die Fähigkeit solche Schwierigkeiten auch im Blick auf Unterrichtsmaterialien einzuschätzen, z. B. in Blick auf (a) die fachliche Adäquatheit und (b) die Adressatenbezogenheit, vor allem hinsichtlich bekannter Schülerpräkonzepte. In diesem Projekt soll der Einfluss des fachlichen und des fachdidaktischen Wissens auf die Wahrnehmung und die Urteilsprozesse angehender Lehrkräfte im Bereich mathematisch-naturwissenschaftlicher Modelle untersucht werden. Dazu werden verschiedene Darstellungsweisen abstrakter Modelle in Unterrichtsmaterialien experimentell variiert. Als abhängige Variablen werden Blickbewegungen bei der Wahrnehmung der Unterrichtsmaterialien durch Eye-Tracking sowie Begründungen für die Entscheidung über ihren Einsatz durch schriftliche Befragungen erhoben.

C1: Bildungssprachliche Strukturen und Praktiken im Sachunterricht: Fachbezogene Kompetenzen von Lehrkräften als Grundlage diagnostischen Denkens und Handelns

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Fachbezogene diagnostische Kompetenz von Lehrkräften in Bezug auf bildungssprachliche Strukturen und Praktiken ist hoch relevant für die Herstellung von Bildungsbeteiligung und Chancengleichheit von Schülerinnen und Schülern mit mangelnden bildungssprachlichen Kompetenzen). Zu den bildungssprachlichen Anforderungen im Fachunterricht liegen mittlerweile zahlreiche sprachwissenschaftliche Studien vor. Die fachlichen diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften in diesem Bereich sind bislang noch kaum empirisch untersucht. Die Studie erhebt daher das Professionswissen von Lehrerinnen und Lehrern in Bezug auf bildungssprachliche Anforderungen im Sachunterricht und analysiert deren Diagnosekompetenz bezüglich sprachlicher Schwierigkeiten von Lernenden. Die Ergebnisse tragen dazu bei, die bildungssprachlichen fachbezogenen diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften besser zu beschreiben und bilden die Grundlage für die Entwicklung von Konzeptionen von Aus- und Fortbildung in diesem Bereich.

C2: Diagnostische Urteile zu mündlichen Sprachproduktionen im Französischen – Einfluss individueller, sprachlicher und schülerbezogener Merkmale

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Diagnostische Kompetenz von Fremdsprachenlehrkräften umfasst unter anderem die Fähigkeit, mündliche Sprachproduktionen zu beurteilen. Über dabei ablaufende Urteilsprozesse bei Lehrkräften ist bislang wenig bekannt. In diesem Projekt soll die Rolle sprachlicher Aspekte (z. B. grammatikalische Korrektheit und Pragmatik), schülerspezifischer (z.B. sozialer Hintergrund oder Sprachbiographie) sowie individueller Merkmale der Lehrkräfte (z.B. Vorwissen, Einstellungen) bei der Einschätzung von mündlichen Sprechleistungen durch erfahrene und angehende Lehrkräfte untersucht werden. In einem experimentellen Design werden videografierte Unterrichtsbeispiele eingesetzt, um die Einflussfaktoren auf die Beurteilung mündlicher Sprachproduktionen zu untersuchen. Zur Analyse der Urteile werden Übereinstimmungen mit Expertenurteilen sowie zum Urteil führende Entscheidungsprozesse erfasst. Das resultierende Wissen über die Urteilsprozesse zu mündlichen Sprachproduktionen kann genutzt werden, mündliche Fremdsprachenkompetenzen im Unterricht zu stärken.

C3: Der Einfluss von Stress auf die diagnostische Urteilsgüte von Lehrkräften im Bereich der Lesedidaktik

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Das fachliche und fachdidaktische Wissen der Lehrkraft bezogen auf Aufgaben- und Textmerkmale, inferenzielle Leseprozesse und Lesestrategien spielt eine entscheidende Rolle zur Einschätzung und Förderung der Lesekompetenz ihrer Schüler. Der Prozess des Diagnostizierens geschieht in realen Lehr-Lern-Situationen jedoch unter dem Einfluss von verzerrenden Einflüssen, wie z.B. Stress. Bislang wurden solche Bias-Faktoren in Studien jedoch entweder nicht berücksichtigt oder nach Möglichkeit ausgeschaltet. Das Einbeziehen störender Faktoren ist jedoch von entscheidender Bedeutung, um die Validität bisheriger Forschungsergebnisse einschätzen und das Ausmaß des Einflusses solcher Verzerrungsfaktoren quantifizieren zu können. Das vorliegende Teilprojekt untersucht zu diesem Zweck die Wirkung von Stress auf die Urteilsgenauigkeit zu Aufgaben-/Textschwierigkeiten und inferenziellen Prozessen beim Lesen sowie zur Angemessenheit von Lesestrategien. Zur Analyse der Urteilsprozesse werden außer der Diagnoseleistung zusätzlich Verbalprotokolle („lautes Denken“) und Blickbewegungsdaten herangezogen. Es wird erwartet, dass sich auf Grundlage der so gewonnenen Daten, Schlüsse sowohl für angemessene Untersuchungsdesigns als auch über die Prozesse bei der Urteilsfindung ziehen lassen werden.

D1: Vorhersagegenauigkeit auf Basis von Schülerlösungen mit typischen mathematischen Fehlkonzepten – Erfahrungsbasierte versus theoriebasierte Urteilsprozesse

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Im Projekt wird der Einfluss von zwei Facetten fachbezogener diagnostischer Kompetenz (Erfahrungswissen und theoretisches Wissen) auf das diagnostische Denken bei der Beurteilung von Schülerlösungen untersucht. Vorangegangene Forschung weist auf große Unterschiede in der Beurteilungsgenauigkeit zwischen Lehrkräften hin, lässt die Frage nach Ursachen auf Ebene von Merkmalen der Lehrkräfte oder deren Urteilsprozessen jedoch weitgehend offen. Für die Beurteilung von Schülerlösungen spielen Erfahrungswissen und theoretisches fachdidaktisches Wissen zu Schülerlösungen und Aufgabenmerkmalen eine Rolle, letzteres besonders in Inhaltsbereichen mit epistemologischen Hürden (wie der Bruchrechnung), in denen Fehlkonzepte oft unbemerkt bleibende Lernhürden darstellen. Ziel des Projektes ist es zu untersuchen, inwieweit Erfahrungswissen vs. theoretisches fachdidaktisches Wissen die Beurteilung von Schülerlösungen differenziell beeinflusst und ob die beiden Facetten diagnostischer Kompetenz unabhängig voneinander angeregt werden können. Zu diesem Zweck soll in einer Laut-Denken-Studie das diagnostische Denken von Lehrkräften als „Erfahrungsexperten“ und Fachdidaktikern als „Theorieexperten“ bei der Beurteilung von Schülerlösungen verglichen werden. In einer Intervention soll zudem überprüft werden, ob bei Studierenden als Novizen durch das Vermitteln von Erfahrungs- oder theoretischem fachdidaktischem Wissen gezielt unterschiedliche Beurteilungsprozesse angeregt werden können. Es wird erwartet, dass insbesondere bei Aufgaben, die epistemologische Hürden und Fehlkonzepte adressieren, Erfahrungswissen allein für die akkurate Beurteilung von Aufgaben(-lösungen) nicht ausreicht. Bei diesen Aufgaben sollte theoretisches fachdidaktisches Wissen bedeutsamer als Erfahrungswissen sein.

D2: Schülervorstellungen zu ökologischen Konzepten – Förderung diagnostischen Denkens bei Lehramtsstudierenden mit Hilfe von videobasieren Unterrichtssequenzen

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Da intuitive Schülervorstellungen den Erwerb von fachlich belastbaren Konzepten behindern können, gilt es für Lehrpersonen, diese im Unterrichtsverlauf wahrzunehmen, zu interpretieren und angemessene Entscheidungen zum Umgang mit ihnen zu treffen. Eine besondere Herausforderung für Lehrkräfte stellt bei der Diagnose im Unterricht – zusätzlich zur allgemeinen Komplexität des Unterrichtsgeschehens – die Flüchtigkeit der diagnostischen Situation dar. In diesem Teilprojekt soll deshalb untersucht werden, ob man mit Videosequenzen im Lehramtsstudium kognitive Fertigkeiten für eine unterrichtsbegleitende Diagnose von Schülervorstellungen im Biologieunterricht fördern kann. In dem ersten Experiment werden die Wirkungen zweier alternativer Förderbedingungen („flüchtige“ Videos mit geäußerten Schülervorstellungen vs. entsprechende, „nicht-flüchtige“ Transkripte) verglichen. Basierend auf einer Analyse der spezifischen Einschränkungen der beiden Förderbedingen wird ein zweites Experiment durchgeführt, das eine instruktionale Optimierung der „besseren“ Förderbedingung untersucht.

D3: Fachdidaktisches Wissen für die Diagnose von Schülerdenken und Schülerfehlern beim mathematischen Modellieren. Entwicklung und Validierung eines Paper-Pencil-Tests

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Fachdidaktisches Wissen zu Schülerdenken oder Schülerfehlern als veränderbare, kognitive Dispositionen wird im Sinne von Blömeke et al. (2015) als wesentlicher Aspekt diagnostischer Kompetenz aufgefasst (s. Abschnitt 2.1). Vielfältige empirische Studien greifen auf entsprechende Konzeptualisierung fachdidaktischen Wissens zurück und zeigen seine Bedeutung für die Qualität von Unterricht auf. Zur Erfassung fachdidaktischen Wissens wird dabei vor allem auf schriftliche Wissenstests (Paper-Pencil-Tests) zurückgegriffen. Die Validität dieser Art der Erfassung ist jedoch sowohl theoretisch als auch empirisch nicht geklärt, eine Interpretation von Wirkmodellen mit Blick auf eine adaptive Unterrichtsgestaltung somit kritisch zu hinterfragen. Im Projekt soll daher eine theoretische und empirische Validitätsprüfung der Messung des fachdidaktischen Wissens über Schülerdenken und Schülerfehler durch einen derartigen Wissenstest erfolgen. Die inhaltliche Validität wird zunächst durch kognitive Interviews mit Mathematik-Lehramtsstudierenden geprüft. Die strukturelle und externe Validität werden durch den Einsatz des aus theoretischer Sicht eindimensionalen Wissenstests bei Mathematik-Lehramtsstudierenden mittels probabilistischer Messmodelle geprüft. Hierzu wird der Test zur Erfassung des Wissens über Schülerdenken und Schülerfehler zusammen mit anderen fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Wissenstests administriert. Es wird erwartet, dass Wissen über Schülerdenken und Schülerfehler durch den Wissenstest valide als eigene Wissensfacette erfasst werden kann.

Förderer